Wider die Fremd­be­stim­mung: Wir brau­chen ein Digi­tal­ge­setz

Digi­tal­kon­zer­ne stre­ben nach Pro­fit und sche­ren sich nicht um Rechts­ord­nun­gen. Damit dür­fen wir uns nicht abfin­den. Es ist nicht zu spät, Frei­heit und Grund­rech­te gegen die Digi­ta­li­sie­rer zu ver­tei­di­gen. Ein Vor­schlag. – Gast­bei­trag von VG Media-Geschäfts­füh­rer Mar­kus Run­de in FAZ, 22.8.2016

Gast­bei­trag
Ber­lin, 22.08.2016
Markus Runde

Wir haben die­ser Digi­ta­li­sie­rung nicht unse­re Wahl­stim­me gege­ben. Wir haben nicht einen Sach­ver­halt zusam­men­ge­tra­gen, ver­stan­den, abge­wo­gen und selbst­be­stimmt dar­über ent­schie­den. Wir haben kein Kreuz gesetzt für „Ja“ oder „Nein“, kei­ner Par­tei oder weni­gen Unter­neh­mern eine Gene­ral­voll­macht erteilt, kei­ne Pati­en­ten­ver­fü­gung unter­schrie­ben.

Den­noch hat die Digi­ta­li­sie­rung jeden Bereich unse­res Lebens über­nom­men, den beruf­li­chen, pri­va­ten, gehei­men und manch­mal auch den inti­men. Die­se Art der Digi­ta­li­sie­rung ist aber kein Geschäft des täg­li­chen Lebens. Jeder soll­te in Frei­heit und Kennt­nis der Funk­ti­ons­wei­se und der Fol­gen über sie ent­schei­den. Zu der Vor­aus­set­zung urteils­fä­hi­ger Frei­heit gehört es, die Umwelt und ihre Ver­än­de­run­gen zu erken­nen und an ihr selbst­be­stimmt teil- oder nicht teil­zu­ha­ben.

Beein­träch­ti­gun­gen die­ses Umfangs und Ein­grif­fe die­ser Inten­si­tät haben wir nach der Abschaf­fung der Leib­ei­gen­schaft, seit der Auf­klä­rung, den Stein- und Har­den­berg­schen Refor­men aus­schließ­lich im Ver­hält­nis des Staa­tes zu sei­nen Bür­gern akzep­tiert, und das nur, soweit „unse­re Staa­ten“ auf der Grund­la­ge einer in sich kon­sis­ten­ten, gemein­wohl­ori­en­tier­ten Ord­nung agie­ren.

Die Sache mit der Rele­vanz

Ord­nun­gen des Rechts, die Demo­kra­tie, sind Aus­druck einer Wil­lens­bil­dung, fin­den ihre Legi­ti­ma­ti­on in der Ablei­tung vom Sou­ve­rän, dem Wil­len des Vol­kes. Sie sind Arbeits­er­geb­nis­se, die auf Wis­sen, Ver­nunft und dem Wett­be­werb um maxi­ma­le Erkennt­nis grün­den. Bin­dun­gen unse­rer Indi­vi­dua­li­tät und par­ti­ell Ein­schrän­kun­gen unse­rer Frei­heit haben wir bis zum Ein­tritt der Digi­ta­li­sie­rung nur zuge­las­sen, wenn dadurch Frei­heit und Grund­rech­te erhal­ten wur­den.

In wel­chem gegen­sei­ti­gen Ver­hält­nis ste­hen wir aber zu den Mono­po­len weni­ger Digi­ta­li­sie­rungs­un­ter­neh­mer? Haben wir ein Ergeb­nis über den Umfang gefun­den, in dem wir eine Digi­ta­li­sie­rung an uns zulas­sen? Haben wir die­sen Unter­neh­mern unse­re Stim­me gege­ben, Eric Schmidt von Goog­le etwa – der auf die Fra­ge eines Jour­na­lis­ten des „Spie­gels“ am 7. Juni 2014, „wann er“, Schmidt, „sich das letz­te Mal gegoo­gelt habe“, wört­lich ant­wor­te­te: „Das mache ich nie, ich lebe lie­ber selbst­be­stimmt, als dass ich mich von ande­ren defi­nie­ren las­se.“?

Oder haben wir Marc Zucker­berg, den geschäfts­füh­ren­den Face­book-Gesell­schaf­ter, gewählt, nach­dem er uns sei­nen allein auf Face­book bezo­ge­nen Rele­vanz­be­griff nahe­brach­te, wonach „ein soeben vor unse­rer Haus­tür ster­ben­des Eich­hörn­chen für uns von grö­ße­rer Rele­vanz sein kann als ster­ben­de Men­schen in Afri­ka“?

Alles ande­re wäre Sozi­al­ro­man­tik

Die Digi­ta­li­sie­rung ist die Kom­mer­zia­li­sie­rung von For­schungs­er­geb­nis­sen durch Wirt­schafts­un­ter­neh­men. Die­se For­schungs­er­geb­nis­se wur­den erzielt, um den berech­tig­ten Sicher­heits­in­ter­es­sen von Staa­ten zu die­nen. Die Digi­ta­li­sie­rung hat elek­tro­ni­sche Ver­brei­tungs­we­ge geschaf­fen, und eini­ge Digi­tal­un­ter­neh­mer haben tech­ni­sche Zugän­ge, Schran­ken­häu­ser, auf­ge­stellt. Vor fast zwan­zig Jah­ren ist die Digi­ta­li­sie­rung geka­pert wor­den.

Sehr weni­ge Unter­neh­mer haben sie zu ihrem Geschäft, dem Unter­neh­mens­zweck ihrer daten­häu­fen­den, oli­go­po­lis­tisch gepräg­ten Gesell­schaf­ten gemacht. Die Zugangs­wäch­ter, Welt­zöll­ner und Kon­di­tio­nen­ge­stal­ter sind zum Bei­spiel Ama­zon, Goog­le und deren Ober­ge­sell­schaft Alpha­bet sowie Face­book. Viel­leicht gehö­ren zu die­sen Oli­go­po­len heu­te welt­weit sechs bis acht Unter­neh­men, die sehr weni­gen Gesell­schaf­tern, den Digi­tal­un­ter­neh­mern, gehö­ren. Mehr als acht sind es sicher­lich nicht.

Jedes die­ser Unter­neh­men ist aus­schließ­lich den Eigen­tü­mer­inter­es­sen, der Gewinn­ma­xi­mie­rung ver­pflich­tet. Das „Netz“ als Instru­ment der Teil­ha­be aller ist eine sozi­al­ro­man­ti­sche Ver­klä­rung. Für unse­re Daten erhal­ten wir kei­ne Gegen­leis­tung, nicht ein­mal eine Ant­wort auf unse­re Such­an­fra­gen, son­dern nur Impul­se, die zu unse­ren Nut­zer­pro­fi­len pas­sen und sich für die Digi­tal­un­ter­neh­mer best­mög­lich kom­mer­zia­li­sie­ren las­sen.

Kei­ne freund­li­chen Biblio­the­ka­re des Welt­le­se­saals

Wir wer­den ver­än­dert: Der unauf­ge­klär­te Mensch stellt alles zur Ver­fü­gung, ohne die Aus­wir­kun­gen zu erfas­sen. Der auf­ge­klär­te Mensch wird ver­än­dert, da er die Digi­ta­li­sie­rung nur mit der „Sche­re im Kopf“ nutzt, im Bewusst­sein der dau­ern­den Über­wa­chung und Ver­wen­dung der Daten über ihn. Die Digi­tal­un­ter­neh­mer neh­men die­se Ver­än­de­rung an uns vor. Sie redu­zie­ren uns auf Goog­le- und Face­book- Daten­wer­be­pro­fi­le.

Die Auf­ar­bei­tung und algo­rith­mi­sche Deu­tung unse­rer Such­an­fra­gen, ihre Pro­fi­le von uns, füh­ren aber zu immer ver­eng­te­ren Krei­sen und Impul­sen, deren selbst­re­fe­ren­zi­el­ler Cha­rak­ter uns deter­mi­niert. Wir wer­den um jedes Kor­rek­tiv unse­rer immer auch ein­sei­ti­gen Inter­es­sen gebracht, kor­ri­gie­ren­de Infor­ma­tio­nen und abwei­chen­de Mei­nun­gen wer­den uns immer weni­ger zugäng­lich gemacht.

Die Digi­tal­un­ter­neh­mer orga­ni­sie­ren ihre Eigen­tü­mer­inter­es­sen, wenn sie wie Goog­le irre­füh­rend behaup­ten, sie „orga­ni­sie­ren die Infor­ma­tio­nen der Welt“. Die­se Digi­tal­un­ter­neh­mer sind nicht dem Gemein­wohl ver­pflich­tet. Sie sind nicht der freund­li­che Biblio­the­kar des Welt­le­se­saals im Welt­wis­sens­zen­trum am Stand­ort der Ver­ein­ten Natio­nen. Wir erhal­ten von ihnen – anders als in der indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on – kaum neue Arbeits­plät­ze oder ange­mes­se­ne Steu­er­zah­lun­gen als Gegen­leis­tung.

Dass wir auch ja nicht ver­ste­hen

Auch wenn es uns die auto­sug­ges­ti­ven Sys­te­me die­ser Digi­tal­un­ter­neh­mer nahe­zu­brin­gen ver­su­chen, indem sie das immer­grü­ne, klu­ge, strom­spa­ren­de, spre­chen­de Zuhau­se anprei­sen –, das aber zutref­fen­der wohl bezeich­net wer­den soll­te als der noch feh­len­de Teil des Wer­be­pro­fils über unse­re häus­li­chen Gewohn­hei­ten – bleibt fest­zu­stel­len: Die Digi­ta­li­sie­rung durch die­se weni­gen Unter­neh­mer kann auch nicht dadurch gerecht­fer­tigt wer­den, dass deren unau­to­ri­sier­te Daten­samm­lun­gen die gro­ßen Pro­ble­me der Mensch­heit, etwa im Bereich der Medi­zin, der Umwelt­ver­schmut­zung, der Welt­ernäh­rung oder der Bil­dung gelöst hät­ten.

Selbst die zusam­men­ge­füg­ten Daten­samm­lun­gen von Goog­le, Face­book und Ama­zon haben den Krebs nicht nie­der­ge­run­gen, die Kli­ma­ver­än­de­run­gen nicht auf­ge­hal­ten. Bis jetzt stimmt eine ande­re Glei­chung: Unent­gelt­li­che Daten­lie­fe­run­gen aller füh­ren zu nicht gekann­ten Gewin­nen sehr weni­ger Digi­tal­un­ter­neh­mer und ver­stär­ken so das Ungleich­ge­wicht zwi­schen ihnen und uns.

Obwohl wir dies wis­sen und unse­ren Regie­run­gen lang­sam der asym­me­tri­sche Angriff auf die Grund­la­gen unse­rer Gesell­schaf­ten, ins­be­son­de­re die Selbst­be­stim­mung in Frei­heit, däm­mert, greift jeder die­ser Digi­tal­un­ter­neh­mer wei­ter­hin in nicht gedämpf­ter Inten­si­tät in unser Leben ein, ohne uns, zumin­dest ein wenig, auf der Ober­flä­che, für das Sicht­ba­re, zu ertüch­ti­gen. Viel­mehr sol­len wir nicht ver­ste­hen, in wel­chem Umfang wir bei jeder Ama­zon-Bestel­lung oder den Goog­le-Such­an­fra­gen ein­wil­li­gen in die unent­gelt­li­che Samm­lung und Auf­ar­bei­tung unse­rer Daten.

Wie lan­ge wol­len wir uns die Fremd­be­stim­mung noch leis­ten?

Wir sol­len die Funk­ti­ons­wei­se des Algo­rith­mus nicht begrei­fen, mit wel­chem die ver­meint­li­chen Ant­wor­ten, zutref­fen­der wohl die sich aus unse­rem Nut­zer­pro­fil erge­ben­den Impul­se, auf unser Suchen aus­ge­ge­ben wer­den. In was kön­nen wir dann aber ein­wil­li­gen, wenn wir die Funk­ti­ons­wei­se des Algo­rith­mus gar nicht ken­nen? Solan­ge die Kennt­nis dar­über fehlt, wie wir ver- und bear­bei­tet, geern­tet und mit einem neu­en Impuls zur Bewe­gung ver­an­lasst wer­den, schei­det jede wirk­sa­me Zustim­mung aus.

Die Inten­si­tät des Ein­griffs durch die­se Unter­neh­men fin­det damit weder eine Legi­ti­ma­ti­on im Gemein­wohl, noch ist irgend­ei­ne wirk­sa­me indi­vi­du­el­le Wil­lens­be­kun­dung arti­ku­liert. Wil­le und Zustim­mung kön­nen sich aber wirk­sam nur bil­den, wenn der gesam­te Sach­ver­halt, auf wel­chen sich die Zustim­mung bezieht, sowie die Fol­gen einer Zustim­mung ver­stan­den wer­den.

Wie lan­ge wol­len wir uns aber sol­che Daten­über­tra­gun­gen an weni­ge Digi­tal­un­ter­neh­mer noch leis­ten, ohne zu ver­ste­hen, was pas­siert? Ken­nen wir den indi­vi­du­el­len Moment, in wel­chem wir die kogni­ti­ven und intel­lek­tu­el­len Fähig­kei­ten ganz ver­lo­ren haben, Fremd­be­stim­mun­gen zu ent­de­cken und in Frei­heit abzu­weh­ren?

Wir las­sen sie gewäh­ren

Digi­ta­le Markt­be­herr­sch­er geben auf die­se Fra­gen Ant­wor­ten eige­ner Art. Sie beherr­schen die mehr­sei­ti­gen Märk­te, auf denen sie sich durch­ge­setzt haben. Sie erstel­len die Ver­hält­nis­se und nut­zen regel­mä­ßig eine iden­ti­sche Schlacht­ord­nung. Sie fügen ihre Geschäf­te nicht in die bestehen­den gesell­schaft­li­chen und recht­li­chen Ord­nun­gen ein. Sie set­zen den tech­ni­schen Impe­ra­tiv ohne Abstim­mung.

Sie ver­wirk­li­chen unein­ge­schränkt, was tech­nisch mög­lich ist, ohne zu fra­gen, ob das, was tech­nisch mög­lich, auch recht­lich zuläs­sig ist. Die­ses Ver­hal­ten ist nur mög­lich, weil die Sach­ver­hal­te kom­plex sind. Die Digi­tal­un­ter­neh­mer schaf­fen und instru­men­ta­li­sie­ren die hohen Ver­ständ­nis­bar­rie­ren, die zu über­win­den sind, will man einen digi­ta­len Vor­gang nach­voll­zie­hen, und danach ent­schei­den, ob man ihn zulässt oder ihm ent­sagt.

Die­se Ent­wick­lung wird ver­stärkt, indem wir den Digi­tal­un­ter­neh­mern erlau­ben, sich auf Geschäfts- und Betriebs­ge­heim­nis­se zu beru­fen, anstatt sie gesetz­lich auf­zu­for­dern, Funk­ti­ons­wei­sen ihrer Sys­te­me und Fol­gen offen­zu­le­gen, stän­dig aktu­el­le, ein­fach zu ver­ste­hen­de „Bei­pack­zet­tel“ zu ver­wen­den, die allein Grund­la­ge jeder wirk­sa­men Wil­lens­be­kun­dung sein kön­nen.

Dem Zugriff der Rechts­ord­nun­gen ent­zo­gen

Der tech­ni­sche Impe­ra­tiv der Digi­tal­un­ter­neh­mer frag­men­tiert unse­re Wirk­lich­keit, führt zu einer Auf­lö­sung unse­res Ver­ständ­nis­ses von einem mensch­li­chen Leben in Wür­de, greift ohne sach­li­che Recht­fer­ti­gung in das Grund­recht zur insti­tu­tio­nel­len Selbst­be­stim­mung jedes Ein­zel­nen ein, ist ver­ant­wor­tungs­los gegen­über der unab­hän­gi­gen Pres­se, scha­det dem offe­nen und fai­ren Wett­be­werb und nimmt einen schwe­ren Ein­griff in die Eigen­tums­rech­te der Urhe­ber, Ver­la­ge und der Inhal­te­schaf­fen­den ins­ge­samt in Kauf.

Dabei geht unse­re Rechts­ord­nung von ande­ren Prä­mis­sen aus. Jedes Unter­neh­men und jede natür­li­che Per­son, wel­che in den ter­ri­to­ria­len Gren­zen Deutsch­lands oder der Euro­päi­schen Gemein­schaft agie­ren, Geschäf­te täti­gen, unter­lie­gen der Voll­stre­ckung deut­schen und euro­päi­schen Rechts und wer­den bei der Anwen­dung des Rechts gleich behan­delt.

Nicht so der klei­ne Kreis der Digi­tal­un­ter­neh­mer, der die Träg­heit gewal­ten­tei­li­ger, rechts­staat­li­cher Sys­te­me aus­nutzt, Inter­na­tio­na­li­tät und das jewei­li­ge Gesell­schafts­recht ope­ra­tio­na­li­siert, um sich dem Zugriff der Rechts­ord­nun­gen zu ent­zie­hen. Tech­nisch wird von den Digi­tal­mo­no­po­lis­ten alles Denk­ba­re voll­zo­gen in der Gewiss­heit, dass der Ver­stoß gegen das Recht heu­te schon mor­gen das Imper­fekt der eige­nen Geschäfts­tä­tig­keit ist.

Die Ent­schei­dung liegt in unse­rer Hand

Die Voll­stre­ckung des Rechts ängs­tigt die weni­gen Mono­pol­in­ha­ber kaum, da die Durch­set­zung des Rechts kaum zu einer Ein­schrän­kung ihrer unter­neh­me­ri­schen Frei­heit wird. Zum einen sind die Wis­sens­bar­rie­ren für die Bewer­tung durch die Rich­ter hoch. Zum ande­ren urtei­len die Gerich­te wegen der schnel­len Inno­va­ti­ons­zy­klen häu­fig über tech­nisch-digi­ta­le Sach­ver­hal­te der Ver­gan­gen­heit.

Es mag um die Zah­lung hoher Sum­men durch die Daten­mo­no­po­lis­ten an Geschä­dig­te gehen, aber wel­che Geschäfts­tä­tig­keit von dau­er­haf­ter Rele­vanz soll­ten Gerich­te ein­schrän­ken kön­nen, wenn jeder tech­ni­sche Sach­ver­halt bei Urteils­ver­kün­dung regel­mä­ßig nicht mehr aktu­ell ist? Der als Geschäfts­ge­heim­nis cou­vrier­te, sich stän­dig bewe­gen­de Algo­rith­mus ver­stärkt die­ses Ungleich­ge­wicht. So schnell der eif­ri­ge Hase auch lau­fen mag, der Igel ist schon da.

Das ist der Sach­ver­halt, der unstrei­tig vor uns liegt. Was ist nun zu tun? Sind wir noch mün­dig und ver­nunft­be­gabt, müs­sen wir uns zurück­er­tüch­ti­gen, Grund­rech­te abwä­gen, ent­schei­den, was zu ver­lie­ren wäre uns fra­gen, wie wir wei­ter­le­ben wol­len: ent­we­der wie Eric Schmidt, „selbst­be­stimmt, ohne uns durch ande­re defi­nie­ren zu las­sen“, mit dem Anspruch auf eine eige­ne Mei­nungs­bil­dung als Vor­aus­set­zung für die Demo­kra­tie, die uns seit sieb­zig Jah­ren Frie­den bringt, oder in einem fremd­ge­lenk­ten Auto von Eric Schmidt?

Unser Voll­stre­ckungs­de­fi­zit

Begrei­fen wir den Zusam­men­hang zwi­schen Frei­heit und Recht, oder wer­den wir ein Pro­fil auf einem der Face­book-Äcker mit kur­zen, fremd­ge­setz­ten Ern­t­ein­ter­val­len? Haben wir die Kraft, die Digi­tal­un­ter­neh­mer ein­zu­he­gen in bestehen­de Rechts­ord­nun­gen? Oder neh­men wir lar­moy­ant den Legi­ti­ma­ti­ons­ver­lust für die Voll­stre­ckung des staat­li­chen Gewalt­mo­no­pols in Kauf, indem Recht gegen natio­na­le Unter­neh­men und natür­li­che Per­so­nen voll­streckt wird, wäh­rend unse­re Poli­ti­ker sich von der Last des Wis­sens über unser bestehen­des Recht befrei­en und unbe­schwert die Ansicht ver­tre­ten, Digi­tal­un­ter­neh­mern kön­ne man wirk­sam nur mit einer Welt­rechts­ord­nung und Welt­ge­rich­ten ent­ge­gen­tre­ten?

Eine sol­che Asym­me­trie der dia­gnos­ti­zier­ten Ver­hält­nis­se wer­den wir erst wie­der­auf­he­ben, wenn wir als Rechts­staa­ten zum Schut­ze unse­rer Ver­fas­sun­gen auch hier Sozi­al­pro­gno­sen wagen, uns wie bei der Anwen­dung des Straf­rechts, trau­en, Täter, die über lan­ge Zeit­räu­me Ver­ge­hen bege­hen, mit weit­rei­chen­den Auf­la­gen und Mel­de­pflich­ten bei der ört­li­chen Poli­zei­dienst­stel­le zu reso­zia­li­sie­ren. Wir sind es, die das im Rah­men der Rechts­ord­nung ent­schei­den kön­nen. Wir sind es, die das mit staat­li­chem Gewalt­mo­no­pol auch durch­set­zen kön­nen. Wir kön­nen die Igel an die Hals­bän­der legen.

Aber was ist zu beach­ten? Vom All­ge­mei­nen zum Spe­zi­el­len: Wir brau­chen den Wil­len, gel­ten­des Recht anzu­wen­den. Seit Jah­ren haben wir ein Voll­stre­ckungs­de­fi­zit. Wir brau­chen nicht in jedem Bereich mehr und ande­re Geset­ze für die Anwen­dung von Recht auf ana­lo­ge und digi­ta­le Sach­ver­hal­te des Lebens. Obwohl die Aus­wir­kun­gen der Digi­ta­li­sie­rung unge­kannt sind, haben wir die rich­ti­ge Ord­nung, um zu agie­ren. Die Ord­nung mag par­ti­ell ergän­zungs­be­dürf­tig sein, wir haben aber kein fal­sches Recht für zu moder­nes Leben.

Anfor­de­rung an die Exe­ku­ti­ve

Für das Voll­stre­ckungs­de­fi­zit gibt es meh­re­re Grün­de. Zum einen haben wir zu wenig Respekt vor der Demo­kra­tie. Demo­kra­tie ruht auf den drei geteil­ten Gewal­ten: der Judi­ka­ti­ve, der Legis­la­ti­ve und der Exe­ku­ti­ve. Die drei Gewal­ten ste­hen in einer Span­nung zuein­an­der, wel­che von den Funk­ti­ons­trä­gern mit Kraft und Demut zu ertra­gen ist.

Eine Demo­kra­tie ist nicht leben­dig, wenn gewähl­te Poli­ti­ker zugleich die Rich­ter sind oder Rich­ter Geset­ze tages­po­li­tisch aus­deu­ten. Der Rich­ter muss gel­ten­des Recht anwen­den und glei­che Sach­ver­hal­te gleich behan­deln. Nur der Abge­ord­ne­te erlässt Geset­ze. Han­deln nach den Geset­zen darf die Exe­ku­ti­ve, zugleich als ers­te Die­ne­rin dem Rechts­staat ver­pflich­tet.

Möch­ten wir die pol­ni­sche Ver­fas­sungs­kri­se ver­mei­den, soll­te die Exe­ku­ti­ve sich als ein gleich- und nicht als ein über­ge­ord­ne­ter Teil ver­ste­hen, ihr Ver­wal­tungs­han­deln nach Gesetz und Urteil aus­rich­ten und Ermes­sen nur aus­üben, wo es aus­drück­lich vor­ge­se­hen ist und nicht fort­wäh­rend über­schie­ßen­des Han­deln mit über­ge­setz­li­chen Not­stän­den zu recht­fer­ti­gen suchen.

Zum Scha­den der Demo­kra­tie

Es ist ins­be­son­de­re die Auf­ga­be der Abge­ord­ne­ten, den asym­me­tri­schen Angriff der Digi­tal­un­ter­neh­mer auf die Frei­heits­rech­te der Ver­fas­sung, Art. 1–20 Grund­ge­setz, die den Kern unse­res Zusam­men­le­bens dar­stel­len, zu parie­ren und ergän­zen­des Recht zu erlas­sen, das den Wesens­ge­halt der Grund- und Frei­heits­rech­te garan­tiert und den unauf­ge­klär­ten wie den auf­ge­klär­ten Bür­ger vor den wirt­schaft­li­chen Inter­es­sen weni­ger Digi­tal­un­ter­neh­mer schützt; nicht mehr, aber auch nicht weni­ger.

Der Sou­ve­rän, Grup­pen von Bür­gern, Lob­by­is­ten wie „Netz­ak­ti­vis­ten“ par­ti­zi­pie­ren, indem sie sich äußern und wäh­len. Sie kön­nen sich um den Erlass neu­er Geset­ze bemü­hen, eine Par­tei grün­den oder der Par­tei ihre Stim­me geben, die ihnen ver­spro­chen hat, „ihr Gesetz“ zu erlas­sen. Laut­stär­ke ist von der nega­ti­ven Frei­heit der Ver­fas­sung gedeckt, ein digi­ta­ler Ent­rüs­tungs­sturm ist zuläs­sig.

Geset­ze, Urtei­le und Ver­wal­tungs­han­deln ändert man in Demo­kra­tien auf die­se Wei­se nicht. Eine über­grei­fen­de Auf­la­dung der gewal­ten­tei­li­gen Ord­nung und ihrer staat­li­chen und gewähl­ten Funk­ti­ons­trä­ger mit dem „Poli­ti­schen“ scha­det der Demo­kra­tie. In dem Umfang, in dem die jeweils aktu­el­le Poli­tik das bestehen­de Recht durch­dringt, ver­liert das Recht sei­ne demo­kra­ti­sche Legi­ti­ma­ti­on.

Die Fähig­keit, die vie­len fehlt

So ist es Aus­druck eines besorg­nis­er­re­gen­den Ver­ständ­nis­ses von der Tei­lung und Durch­set­zung staat­li­cher Gewalt, wenn die Bun­des­kanz­le­rin Herrn Zucker­berg gele­gent­lich eines Abend­essens, beim Des­sert, in New York vor­schlägt, doch nach Mög­lich­keit ver­ständ­li­che­re All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen für Face­book zu ver­wen­den oder der Bun­des­jus­tiz­mi­nis­ter Herrn Zucker­berg im Gespräch bit­tet, bei der Ver­brei­tung von Het­ze durch Facebook-„Nutzer“ doch die Gel­tung deut­schen Straf­rechts zu beden­ken.

Die Ver­fas­sung und unse­re dar­auf auf­set­zen­de Rechts­ord­nung haben wir uns in Frei­heit gege­ben. Wir sind einig über ihren Wert. Sie regelt unser Leben im Ver­hält­nis zum Staat und unter­ein­an­der. Sie beschreibt und grenzt die Funk­tio­nen der Ver­fas­sungs­or­ga­ne ein. Span­nun­gen zwi­schen den Gewal­ten sind sys­tem­bil­dend und struk­tur­er­hal­tend. Das ist zu ertra­gen. Demo­kra­tie ist anstren­gend.

Der wei­te­re Grund für das Voll­stre­ckungs­de­fi­zit sind einer­seits die sich ver­stär­ken­den Wech­sel­wir­kun­gen zwi­schen zu viel Mei­nungs- und zu wenig Wis­sens­ge­sell­schaft. Ande­rer­seits beto­nen wir Indi­vi­dua­li­tät über, die sich häu­fig mit ver­küm­mer­ter Demut gepaart hat, und so fehlt vie­len von uns die Fähig­keit, sich als ein funk­tio­na­ler Teil eines über­ge­ord­ne­ten, zum Bei­spiel ver­fas­sungs­recht­lich-demo­kra­ti­schen, Sys­tems zu begrei­fen.

Gespal­te­ne Gesell­schaft

Die Über­be­to­nung des Ein­zel­nen, ver­meint­lich ohne Pflich­ten gegen­über der Demo­kra­tie, fin­det ihre Ent­spre­chung in der Über­be­to­nung der Mei­nung gegen­über dem Wis­sen. Der Ein­zel­ne ist wich­tig. Jeder hat die glei­chen Frei­heits­rech­te. Der Ein­zel­ne bleibt aber der kleins­te Teil des Gan­zen und hat auch in einer Demo­kra­tie Funk­tio­nen zu erfül­len und ledig­lich die vor­ge­se­he­nen Mit­tel der Par­ti­zi­pa­ti­on.

Fast jede Mei­nung in einer Demo­kra­tie ist zuläs­sig, erhält aber erst Rele­vanz, wenn sie wahr und ver­nünf­tig ist, die Essenz des Wis­sens, in Bezie­hung gesetzt, kor­ri­giert und ver­dich­tet. Die digi­ta­le Dis­tri­bu­ti­on hat gro­ße Vor­tei­le und hat uns den beque­men Zugang zu Wis­sen und die Ver­net­zung von Wis­sen ermög­licht. Unse­re Fähig­keit, Inhal­te und Mei­nun­gen abzu­le­gen ein­zu­ord­nen und zu „kata­lo­gi­sie­ren“, ist durch die beque­me digi­ta­le Ver­brei­tung nicht gestie­gen.

Der digi­ta­le Dau­er­b­liz­zard der Mei­nun­gen und Inhal­te ohne jede Rele­vanz hat viel­mehr dem Rela­ti­vis­mus, der kei­ne Reli­gi­on, Phi­lo­so­phie und Ver­fas­sung als uni­ver­sell und wahr aner­kennt, wei­te­ren Vor­schub geleis­tet. Die Über­be­to­nung der Indi­vi­dua­li­tät ohne jede Bin­dung anstel­le des Wohls der Gemein­schaft, der Mei­nun­gen anstel­le des Wis­sens fin­det Aus­druck in dem feh­len­den Ver­trag über das, was uns als west­li­che Gesell­schaf­ten zusam­men­hält. Wir sind gespal­te­ner denn je.

Von der Unkul­tur des Unter­las­sens

Wir geben kei­ne ent­schlos­se­ne Ant­wort über das Ver­bin­den­de, uni­ver­sell Gül­ti­ge. Der beschwo­re­ne Hin­weis auf ein gemein­sa­mes kul­tu­rell-reli­giö­ses Erbe, unser gro­ßes ver­fas­sungs­recht­li­ches Ver­mächt­nis, ist so ver­stö­rend wie ernüch­ternd. Wir soll­ten in der Dia­gno­se einig sein, dass wir eine kul­tu­rel­le und reli­giö­se Gegen­wart und Zukunft brau­chen, eine wun­der­ba­re und funk­tio­nie­ren­de Ver­fas­sung bereits haben. Unse­re Zukunft kann nicht indi­vi­du­ell oder gar von weni­gen Wirt­schafts­un­ter­neh­mern für uns aus­ge­macht wer­den.

Auch der digi­ta­le Teil unse­rer Zukunft ist zu ver­an­kern und muss sich grün­den auf uni­ver­sel­le Wer­te wie Selbst­be­stim­mung, ver­söhnt mit der Ver­ant­wor­tung für die Schwa­chen, Erkennt­nis, Ver­nunft, Wahr­heit, das Recht als Vor­aus­set­zung der Frei­heit. Nur der Wil­le, die­se uni­ver­sel­len Wer­te auch zu voll­stre­cken, wird unse­re Fähig­keit erhal­ten, auf kom­ple­xe Sach­ver­hal­te, auch digi­ta­le Umstän­de, dif­fe­ren­zier­te und klu­ge Ant­wor­ten zu fin­den.

Der drit­te Grund für das Voll­stre­ckungs­de­fi­zit liegt dar­in, dass der Rela­ti­vis­mus eine Unkul­tur des Unter­las­sens her­vor­ge­bracht hat. Wir dür­fen uns aber von kom­ple­xen, glo­ba­len Sach­ver­hal­ten nicht über­for­dern las­sen. Untä­tig­keit bei der Rechts­an­wen­dung und Voll­stre­ckung sowie bei dem Erlass ergän­zen­der Geset­ze darf nicht mit ver­meint­li­cher Dif­fe­ren­ziert­heit, dem Hin­weis auf unver­ständ­li­che, sich stän­dig über­ho­len­de tech­ni­sche Lebens­sach­ver­hal­te, feh­len­de Welt­rechts­ord­nun­gen und Welt­ge­rich­te begrün­det wer­den.

Nega­ti­ve Frei­heit ein­ge­schlos­sen

Erst recht soll­ten Legis­la­ti­ve und Judi­ka­ti­ve han­deln, um es nicht der raum­grei­fen­den Exe­ku­ti­ve zu über­las­sen, sich den weni­gen Digi­tal­un­ter­neh­men, wie sonst nur unter Staa­ten üblich, zur Rege­lung der Pro­ble­me gesprächs­wei­se beim Abend­essen zu nähern. Die Unkul­tur des resi­gna­ti­ven Unter­las­sens ist zu erset­zen durch eine Kul­tur des Han­delns in Ver­ant­wor­tung. Die Funk­ti­ons­trä­ger in Ver­ant­wor­tung soll­ten sich dabei stets bewusst sein, dass Ver­säum­nis und Unter­las­sen sie regel­mä­ßig schwe­rer belas­ten als ein Fehl­grei­fen in der Wahl der Mit­tel.

Vom All­ge­mei­nen zum Beson­de­ren der Digi­ta­li­sie­rung: Der Frei­heits­be­griff unse­rer Ver­fas­sung schließt die nega­ti­ve Frei­heit ein. Wir ver­bie­ten daher zu Recht das Rau­chen nicht. Wenn­gleich wahr­schein­lich 99 Pro­zent der Bun­des­bür­ger um die Gesund­heits­schä­di­gung durch Niko­tin wis­sen, zwin­gen wir den Bür­ger zu einer Ent­schei­dung in Frei­heit, des­sen Vor­aus­set­zung das Wis­sen um die Fol­gen des Rau­chens ist.

Wir erlau­ben den Ver­kauf von Ziga­ret­ten nur, soweit sich Bil­der von Gesund­heits­schä­di­gun­gen auf den Schach­teln fin­den. Wir wol­len dabei nicht nur eine Ent­schei­dung in Frei­heit und mit dem not­wen­di­gen Wis­sen erzwin­gen, son­dern haben einen erzie­he­ri­schen Impe­tus, den wir mit dem hohen Gut der Gesund­heit des Ein­zel­nen auch für die kol­lek­ti­ven Gesund­heits­sys­te­me recht­fer­ti­gen.

So soll­te der digi­ta­le Bei­pack­zet­tel aus­se­hen

Ganz ähn­lich hat ein Arz­nei­mit­tel­her­stel­ler vor und nicht nach dem Ver­kauf sei­ner Medi­ka­men­te alles zu unter­neh­men, um dem euro­päi­schen und deut­schen Recht für die Zulas­sung von Arz­nei­mit­teln zu ent­spre­chen. Er hat bei jedem Ver­kauf der Medi­ka­men­te sicher­zu­stel­len, dass im Bei­pack­zet­tel auf Neben­wir­kun­gen und Inter­de­pen­den­zen mit ande­ren Medi­ka­men­ten hin­ge­wie­sen wird.

Die Digi­ta­li­sie­rung die­ser Art gefähr­det unse­re Gesund­heit, redu­ziert unse­re kogni­ti­ven und intel­lek­tu­el­len Fähig­kei­ten. Mit dem Ziel der Reer­tüch­ti­gung aller zu „mün­di­gen Nut­zern“ brau­chen wir sehr bald den Erlass eines Digi­tal­ge­set­zes. Im beson­de­ren Teil eines sol­chen Digi­tal­ge­set­zes ist jeder Digi­tal­un­ter­neh­mer zu ver­pflich­ten, „Nut­zern“ und „Geschäfts­part­nern“ vor jeder Bestel­lung, etwa auf Ama­zon, jeder Such­an­fra­ge bei Goog­le und jedem Face­book-Ein­trag ver­ständ­lich und in ein­fa­chen Wor­ten, in einem gra­phisch deut­lich abge­setz­ten Kas­ten, zu erklä­ren:

– dass jede „Nut­zung“ der digi­ta­len Ober­flä­chen ggf. mit per­sön­li­chen Daten bezahlt wird;

– dass Wer­be­pro­fi­le jedes „Nut­zers“ erstellt wer­den, um von dem Digi­tal­un­ter­neh­mer mit hohem Gewinn u. a. an die wer­bung­trei­ben­de Indus­trie ver­äu­ßert zu wer­den;

– wer die per­sön­li­chen und ande­re Daten im Ein­zel­nen und wie lan­ge nutzt;

– ob per­sön­li­che und ande­re Daten gelöscht wer­den kön­nen und, wenn ja, wie;

– wie der Digi­tal­un­ter­neh­mer sich finan­ziert, sei­ne Umsät­ze erzielt;

– wel­chen Markt­an­teil der jewei­li­ge Digi­tal­un­ter­neh­mer auf den ver­schie­de­nen, mehr­sei­ti­gen, Märk­ten hat;

– wie sich vor­an­ge­gan­ge­ne Daten­lie­fe­run­gen der „Nut­zer“ im Rah­men von Suchen, Bestel­lun­gen, Ein­trä­gen, digi­ta­len Tätig­kei­ten jeder Art auf die aktu­el­len Pro­fi­le, die neu­en Suchen, Bestel­lun­gen, Ein­trä­ge sowie digi­ta­len Tätig­kei­ten des „Nut­zers“ aus­wir­ken;

– wofür die Digi­tal­un­ter­neh­mer die jewei­li­gen Algo­rith­men als Pro­blem­lö­ser ver­wen­den und wie die Funk­ti­ons­wei­sen die­ser Pro­blem­lö­ser sind;

– wel­ches die Impul­se sind, die die stän­di­gen Ver­än­de­run­gen der Algo­rith­men aus­lö­sen;

– ob und, wenn ja, wel­che Mecha­nis­men der Digi­tal­un­ter­neh­mer instal­liert hat, um Mani­pu­la­tio­nen der „Nut­zer“, zum Bei­spiel bei Wah­len, aus­zu­schlie­ßen.

Anony­mi­tät muss eine begrün­den­de Aus­nah­me blei­ben

Der Bestel­len­de, der Suchen­de und der Ein­tra­gen­de soll­te vor jeder „Nut­zung“ von Ober­flä­chen der Digi­tal­un­ter­neh­mer, mit­hin vor jeder Daten­lie­fe­rung, durch akti­ves Ankreu­zen erklä­ren, dass ihm die geschil­der­te Funk­ti­ons­wei­se bewusst ist und er die Nut­zung des Ange­bo­tes den­noch wünscht. Der digi­ta­le Bei­pack­zet­tel ist, wie bei Arz­nei­mit­teln auch, vor­ab „behörd­lich“ frei­zu­ge­ben und auf gute Wahr­nehm­bar­keit, Ver­ständ­lich­keit für jeder­mann und gebo­te­ne Kür­ze zu über­prü­fen.

Zur Ver­ge­wis­se­rung soll­te die­ses Digi­tal­ge­setz auch einen All­ge­mei­nen Teil haben, auch wenn die­ser über­wie­gend the­ra­peu­tisch ist und Selbst­ver­ständ­li­ches noch ein­mal fest­stellt. Dazu gehört die Pflicht von Digi­tal­un­ter­neh­mern, ohne Zustim­mung der Eigen­tü­mer nicht das geis­ti­ge Eigen­tum zu ver­let­zen, Arti­kel 14 Grund­ge­setz. Dazu könn­te, noch all­ge­mei­ner, eine gene­ral­klau­sel­ar­ti­ge Fest­stel­lung gehö­ren, dass Leis­tungs­er­geb­nis­se Drit­ter nur dann zur Grund­la­ge digi­ta­ler Geschäfts­mo­del­le gemacht wer­den kön­nen, wenn vor­her eine Eini­gung zwi­schen Digi­tal­un­ter­neh­mer und dem Inha­ber der Leis­tungs­er­geb­nis­se vor­liegt.

Digi­tal­un­ter­neh­mer müs­sen voll­stre­ckungs­fä­hi­ge Unter­neh­mens­sit­ze in dem Land nach­wei­sen, in wel­chem die Umsät­ze der Digi­tal­un­ter­neh­mer oder ihrer Ober­ge­sell­schaf­ten ent­ste­hen. Wie­der­holt wer­den soll­te der Grund­satz, dass jede Anwen­dung unse­rer Geset­ze eine Zuord­nung von per­so­na­lem Ver­hal­ten vor­aus­setzt. Die­se Zuord­nung ist nur mög­lich, wenn alle digi­tal Betei­lig­ten sich zu erken­nen geben und Anony­mi­tät „im Netz“ nicht wie heu­te die Regel, son­dern die zu begrün­den­de Aus­nah­me bleibt.

Glei­ches Recht für alle

Für jeden Digi­tal­un­ter­neh­mer ist fest­zu­stel­len, dass nicht – wie durch Apple in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten bean­sprucht – er über die Wei­ter­ga­be von Infor­ma­tio­nen an den Staat ent­schei­det, son­dern der Staat die Grund­rechts­ab­wä­gung vor­nimmt und prüft, wann eine Beru­fung auf Privat‑, Geheim- und Intim­sphä­re durch den Grund­rechts­trä­ger selbst nicht mehr mög­lich ist. Ver­stößt der Grund­rechts­trä­ger gegen die Rechts­ord­nung, etwa gegen das Straf­recht, ist eine Her­aus­ga­be sämt­li­cher Pro­fi­le durch den Digi­tal­un­ter­neh­mer an staat­li­che Stel­len selbst­ver­ständ­lich.

Wir dis­ku­tie­ren ja auch nicht, ob die Poli­zei das Recht hat, in digi­ta­li­sier­ten, selbst­fah­ren­den Per­so­nen­zü­gen einen Räu­ber fest­zu­neh­men, obwohl der Räu­ber Stamm­kun­de der Deut­schen Bahn ist. Nicht nur ver­bie­ten wir Wer­bung für Rauch­wa­ren, son­dern zei­gen dem Rau­cher wie­der und wie­der die Bil­der der typi­schen Krank­hei­ten. Dem Arz­nei­mit­tel­kon­su­men­ten muten wir den Gang in die Apo­the­ke zu, das Bera­tungs­ge­spräch und den Bei­pack­zet­tel.

Auch mit Blick auf die­se Bei­spie­le sind die genann­ten Auf­klä­rungs­ver­pflich­tun­gen des Digi­tal­un­ter­neh­mers erfor­der­lich, geeig­net und zumut­bar, um unse­re Gesund­heit zu erhal­ten und wie­der­her­zu­stel­len. Für Arz­nei­mit­tel­her­stel­ler und Digi­tal­un­ter­neh­mer wür­de nach Erlass eines Digi­tal­ge­set­zes die­sen oder ähn­li­chen Inhalts wie­der glei­ches Recht gel­ten, Arti­kel 3 Grund­ge­setz.

Die Digi­ta­li­sie­rung reso­zia­li­sie­ren

Wer die Zulas­sungs­vor­aus­set­zun­gen nicht ein­hält und den Bei­pack­zet­tel ver­gisst, kann sein Medi­ka­ment in Deutsch­land nicht ver­kau­fen. Digi­tal­un­ter­neh­mer, die in Deutsch­land man­gels Anschrift nur unkör­per­lich anwe­send sein möch­ten, digi­tal mit „nicht auf­find­bar“ gleich­set­zen und ihren Daten­lie­fe­ran­ten die Funk­ti­ons­wei­se des Algo­rith­mus nicht erklä­ren wol­len, kön­nen ihre ver­meint­li­chen „Diens­te“ in Deutsch­land dann nicht mehr anbie­ten.

Reso­zia­li­sie­ren wir die­se Digi­ta­li­sie­rung in unse­re Gesell­schafts­ord­nung – holen wir, jeder an sei­nem Platz und in unse­ren geteil­ten Funk­tio­nen, unse­re Zukunft in Selbst­be­stim­mung und Frei­heit zurück, denn, wie Imma­nu­el Kant sag­te: „Die Not­wen­dig­keit zu ent­schei­den reicht wei­ter als die Mög­lich­keit zu erken­nen.“

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