Nach versäumter Notifizierung — Deutscher Gesetzgeber ist gefordert
Deutscher Gesetzgeber ist jetzt gefordert, europäisches Presseleistungsschutzrecht umgehend umzusetzen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute festgestellt, dass die Bundesregierung im Jahr 2013 das im deutschen Urheberrecht geregelte Leistungsschutzrecht der Presseverleger (Presse-LSR) nach der sogenannten Notifizierungsrichtlinie bei der EU Kommission hätte notifizieren, das heißt förmlich anzeigen, müssen (EuGH Rs. C‑299/17). Das Landgericht Berlin hatte in dem von der VG Media gegen die Google LLC geführten urheberrechtlichen Klageverfahren die Ansprüche der VG Media „zumindest teilweise“ für begründet gehalten, aber auf Einwand Googles hin die Frage der unionsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung zur Notifizierung des Presseleistungsschutzrechts gegenüber der EUKommission dem EuGH vorgelegt.
Die Entscheidung des EuGH steht im Gegensatz zur Einschätzung der „betroffenen“ EU Kommission, weiterer Mitgliedsstaaten sowie der Bundesregierung, die eine Notifizierung durchgehend nicht für geboten halten.
Markus Runde, Geschäftsführer der VG Media:
„Der EuGH äußert sich nur zur Vergangenheit. Er erklärt nichts zu der Frage, wie sich der Erlass
der Urheberrechtsrichtlinie ab dem 17. April 2019 für die vorgelegten Fragen konkret auswirkt.
Damit berücksichtigt die Entscheidung nur den Zeitraum zwischen 2013 und 17. April 2019.
Auswirkungen auf die laufenden Verfahren sind zu prüfen.”
Auch stellt die Entscheidung nicht ab auf das soeben erlassene materielle Recht, um dessen Durchsetzung es dem deutschen und europäischen Gesetzgeber gerade jetzt geht. Die Entscheidung ist sehr formal und verfahrensorientiert. Der Sachverhalt hat sich in den zwei Jahren des EuGH-Verfahrens dynamisch entwickelt. Während der Anhängigkeit dieses EuGH Verfahrens hat die Europäische Union nach gründlichen Diskussionen ihrerseits ein EU-weites Recht der Presseverleger beschlossen. Dieses europäische Presseverlegerrecht ist zugunsten der Verleger weitgehender und robuster ausgestaltet. Es verschärft das deutsche Presse-LSR inhaltlich. Wegen dieser für die gesamte Europäische Union geltenden Rechtslage kommt es de facto auf die Frage, ob die deutsche Bundesregierung 2013 eine Änderung des deutschen Urheberrechtsgesetzes hätte förmlich anzeigen müssen, nicht mehr bzw. nur noch für die Vergangenheit an.
Die Presseverleger bitten den deutschen Gesetzgeber daher, jetzt umgehend für Rechtssicherheit zu sorgen. Nur so bleibt freie und finanzierbare Presse, konstitutiv für Meinungsbildung in einer Demokratie, erhalten. Unternehmen, die wie Google oder Facebook die Presseinhalte der Verleger nutzen, müssen dafür eine angemessene, im deutschen wie jetzt auch im europäischen Recht begründete, Vergütung zahlen, die sich an den tatsächlichen Umsätzen der Rechte verwertenden Digitalunternehmen orientiert. Sollten die Digitalunternehmen sogar das europäische Presseverlegerrecht ignorieren und die Zahlung angemessener Vergütungen
an die Presseverleger wiederum ablehnen, wird die VG Media die Rechte der Presseverleger erneut gerichtlich durchsetzen.“
Zum Hintergrund:
Das deutsche Presse-LSR ist mit Wirkung zum 1. August 2013 vom Bundestag beschlossen worden. Betreiber von Suchmaschinen und sogenannte Aggregatoren von Presseerzeugnissen sind danach verpflichtet, für die Nutzung von Presseerzeugnissen eine angemessene Vergütung an die Presseverleger zu zahlen. Gegenstand des Verfahrens vor dem Landgericht Berlin ist die Durchsetzung dieses Presse-LSR gegen die Google LLC in Mountainview, USA. Bereits die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt hatte entschieden, dass das Presse-LSR anwendbar ist und Google zu zahlen hat. Die Fortführung der gerichtlichen Durchsetzung beim Landgericht Berlin war notwendig geworden, da Google die Anwendbarkeit des vom Deutschen Bundestag erlassenen Gesetzes und die sich aus dem Gesetz ergebenden Zahlungsverpflichtungen „grundsätzlich ablehnt“. Diese Auffassung vertritt Google bis heute öffentlich.
Zusätzliche Verfahren gegen Google wegen des Missbrauchs der Marktmacht, u. a. gegenüber VG Media Presseverlegern, werden weiterhin gesondert, vor allem von der Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission, geführt. Wie sehr der deutsche Gesetzgeber im Jahre 2013 mit dem deutschen Presse-LSR vorangegangen ist, bestätigt der Erlass der EU-Urheberrechtsrichtlinie vom 17. April 2019, die ein weitergehendes Presse-LSR zu Gunsten der Verleger enthält. Das europäische Presse-LSR ist innerhalb der nächsten 21 Monate von allen EU-Mitgliedsstaaten in nationales Recht zu transformieren.
Die VG Media ist ein Unternehmen der privaten Sendeunternehmen und Presseverleger mit Sitz in Berlin. Sie ist als sogenannte Verwertungsgesellschaft organisiert und vertritt die Urheber- und Leistungsschutzrechte nahezu aller deutschen und mehrerer internationaler privater Radio- und Fernsehsender sowie rund 200 digitale verlegerische Angebote.