EuGH Gene­ral­an­walt: Bun­des­re­gie­rung hat 2013 Noti­fi­zie­rung des Pres­se­ver­le­ger­rechts ver­säumt

Rich­ter an Gene­ral­an­walt nicht gebun­den – Urteil ers­tes Halb­jahr 2019

Pres­se­mit­tei­lung
Luxemburg/Berlin, 13.12.2018

Soeben hat der Gene­ral­an­walt beim Euro­päi­schen Gerichts­hof (EuGH), Gerard Hogan, in Luxem­burg sei­ne Schluss­an­trä­ge in dem Ver­fah­ren VG Media ./. Goog­le Inc. zur Noti­fi­zie­rungs­pflicht der Bun­des­re­gie­rung, bezo­gen auf das deut­sche Pres­se­leis­tungs­schutz­recht, vor­ge­stellt. Er kommt zu dem Ergeb­nis, dass die deut­schen §§ 87f ff. Urhe­ber­rechts­ge­setz im Jahr 2013 in einem for­ma­len Infor­ma­ti­ons­ver­fah­ren der Bun­des­re­gie­rung gegen­über der EU-Kom­mis­si­on hät­ten noti­fi­ziert wer­den müs­sen. Die Rechts­fol­gen der unter­las­se­nen Noti­fi­zie­rung lässt der Gene­ral­an­walt offen. Anders als von Goog­le bestrit­ten, betont der Gene­ral­an­walt aus­drück­lich die Bedeu­tung der „frei­en und leben­di­gen Pres­se als Teil des Lebens­saf­tes der Demo­kra­tie (…). Es ist völ­lig unrea­lis­tisch, einen Jour­na­lis­mus von hoher Qua­li­tät und Viel­falt zu erwar­ten, der sich an die höchs­ten Stan­dards der Medi­en­ethik und des Respekts vor der Wahr­heit hal­te, wenn Zei­tun­gen und ande­re Pres­se­ka­nä­le nicht über einen nach­hal­ti­gen Ein­kom­mens­strom ver­fü­gen“, so Gene­ral­an­walt Gerard Hogan (Rz. 42).

Die Auf­sichts­rä­te der VG Media, Chris­ti­an DuMont Schüt­te, Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­der der DuMont Medi­en­grup­pe GmbH & Co. KG, und Dr. Edu­ard Hüf­fer, Geschäfts­füh­rer der Aschen­dorff Medi­en GmbH & Co. KG, erklä­ren:

Als ers­tes euro­päi­sches Land hat Deutsch­land 2013 ein Pres­se­leis­tungs­schutz­recht ein­ge­führt. Die­se Grund­satz­ent­schei­dung des Deut­schen Bun­des­ta­ges ist mehr denn je von gro­ßer Weit­sicht getra­gen: Heu­te, rund fünf Jah­re spä­ter, bera­ten die Euro­päi­schen Insti­tu­tio­nen über die ver­bind­li­che Ein­füh­rung eines sol­chen Rechts in allen Mit­glieds­staa­ten. Dies zeigt, wie wich­tig eine eige­ne und star­ke Rechts­po­si­ti­on der Pres­se­ver­le­ger gegen­über den Digi­tal­mo­no­po­len ist. Mei­nungs­plu­ra­li­tät ist eine not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung unse­rer demo­kra­ti­schen Ord­nung. Das Pres­se­leis­tungs­schutz-recht sichert die wirt­schaft­li­che Grund­la­ge einer viel­fäl­ti­gen Pres­se­land­schaft. Eben dies bestä­tigt der Gene­ral­an­walt.
Die Pres­se­ver­le­ger haben bis heu­te in einem schwie­ri­gen wirt­schaft­li­chen Umfeld gemein­sam meh­re­re Mil­lio­nen Euro an Pro­zess- und Rechts­be­ra­tungs­kos­ten inves­tiert, um ein ihnen vom deut­schen Gesetz­ge­ber erst­ma­lig gewähr­tes Recht gegen einen Digi­tal­mo­no­po­lis­ten durch­zu­set­zen. Das Land­ge­richt Ber­lin hat den Anspruch bereits im Mai 2017 dem Grun­de nach aner­kannt. Dies stellt auch der Gene­ral­an­walt nicht in Fra­ge. Es wäre höchst bedau­er­lich, wenn ein for­mel­les Ver­säum­nis der Bun­des­re­gie­rung dazu füh­ren wür­de, dass die­se gro­ßen und vor allem aktu­el­len Anstren­gun­gen ver­geb­lich waren. Das unter­las­se­ne Ver­sen­den eines ein­fa­chen Infor­ma­ti­ons­schrei­bens hät­te zur Fol­ge, dass die jah­re­lan­gen Bemü­hun­gen, Digi­tal­kon­zer­ne in staat­li­che Rechts­ord­nun­gen ein­zu­he­gen, mit einem Schlag zunich­te gemacht wür­den. Umso wich­ti­ger ist es, dass die Bun­des­re­gie­rung uns wei­ter­hin unter­stützt.

Die Geschäfts­füh­rer der VG Media, Mar­kus Run­de und Dr. Ste­fan Heck, kom­men­tier­ten die Ent­schei­dung wie folgt:

In der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem EuGH hat der Ver­tre­ter der Bun­des­re­gie­rung dar­ge­legt, war­um eine Noti­fi­zie­rungs­pflicht des deut­schen Geset­zes gegen­über der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on nicht bestand. Die Kom­mis­si­on selbst hat sich die­ser Beur­tei­lung im Ver­fah­ren vor dem EuGH ange­schlos­sen. Wir bedau­ern sehr, dass der Gene­ral­an­walt der Argu­men­ta­ti­on nicht gefolgt ist. Die end­gül­ti­ge Ent­schei­dung über den Fort­be­stand des deut­schen Pres­se­leis­tungs­schutz­rechts obliegt nun dem EuGH. Wir sind sicher, dass die Rich­ter die Argu­men­te gründ­lich abwä­gen wer­den. Wegen der Bemü­hun­gen des EU-Par­la­ments, ‑Rates und der ‑Kom­mis­si­on um ein Ver­le­ger­recht wäre ein unge­wöhn­li­ches Sze­na­rio denk­bar: Das natio­na­le Pres­se­ver­le­ger­recht könn­te wegen Ver­sto­ßes gegen for­ma­les EU-Recht für unan­wend­bar erklärt wer­den. Fast gleich­zei­tig wird der deut­sche Gesetz­ge­ber, wie­der­um auf­grund EU-Rechts, ver­pflich­tet, ein nahe­zu iden­ti­sches Ver­le­ger­recht ein­zu­füh­ren.

Hin­ter­grund

Im Jahr 2013 hat der Deut­sche Bun­des­tag ein Leis­tungs­schutz­recht für Pres­se­ver­le­ger beschloss­en. Dar­auf­hin haben zahl­rei­che Ver­la­ge ihre digi­ta­len Ange­bo­te in die Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft VG Media ein­ge­bracht, um ihre Ansprü­che gemein­sam gegen­über Such­ma­schi­nen und News-Aggre­ga­to­ren durch­zu­set­zen.

Die in der VG Media orga­ni­sier­ten Pres­se­ver­le­ger füh­ren seit 2014 ver­schie­de­ne gericht­li­che Ver­fah­ren zur Durch­set­zung ihres Aus­kunfts- und Zah­lungs­an­spruchs gegen­über Goog­le Inc. Das Land­ge­richt Ber­lin hat­te hier­zu im Mai 2017 ent­schie­den, dass der Anspruch der Ver­le­ger min­des­tens teil­wei­se begrün­det ist, das Ver­fah­ren aber auf Anre­gung von Goog­le aus­ge­setzt und dem EuGH vor­ge­legt. Der EuGH (Az. C‑299/17) muss nun­mehr ent­schei­den, ob die deut­sche Bun­des­re­gie­rung das Gesetz sei­ner­zeit gegen­über der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on hät­te noti­fi­zie­ren müs­sen. Soll­te die Bun­des­re­gie­rung die­se Noti­fi­zie­rung euro­pa­rechts­wid­rig unter­las­sen haben, kann dies unter Umstän­den zur Unwirk­sam­keit des deut­schen Geset­zes füh­ren.

In der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem EuGH am 24. Okto­ber 2018 haben die Bun­des­re­gie­rung und die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on über­ein­stim­mend dar­ge­legt, wes­halb eine Noti­fi­zie­rungs­pflicht nicht bestand. In Ver­fah­ren vor dem EuGH wer­den die Rich­ter von soge­nann­ten Gene­ral­an­wäl­ten unter­stützt. Mit ihren Schluss­an­trä­gen berei­ten sie die Ent­schei­dungs­fin­dung der Kam­mer vor. Die Rich­ter sind an die Emp­feh­lun­gen der Gene­ral­an­wäl­te nicht gebun­den, fol­gen ihnen aber in der Mehr­zahl der Fäl­le.

Die VG Media ist die Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft der pri­va­ten Sen­de­un­ter­neh­men und Pres­se­ver­le­ger mit Sitz in Ber­lin. Sie ver­tritt die Urhe­ber- und Leis­tungs­schutz­rech­te nahe­zu aller deut­schen und meh­re­rer inter­na­tio­na­ler pri­va­ter Radio- und Fern­seh­sen­der sowie rund 200 digi­ta­le ver­le­ge­ri­sche Ange­bo­te bedeu­ten­der Ver­lags­häu­ser.

Copyright International Media