Poli­tik für eine freie Pres­se – oder für Goog­le und Face­book?

Das Ziel des Medi­en­staats­ver­tra­ges, Inter­me­diä­re einer Regu­lie­rung zu unter­wer­fen, droht durch die Entwurfsbegründung in ihr Gegen­teil ver­kehrt zu wer­den.

Bei­trag
Ber­lin, 27.03.2020
Ein Bei­trag von Dr. Harm-Ran­dolf Döp­kens, Stv. Lei­ter Regu­lie­rung bei der VG Media

Inzwi­schen ist es ein Gemein­platz: Die wirt­schaft­li­che Lage der Pres­se hat sich im Zuge der Digi­ta­li­sie­rung dra­ma­tisch ver­schlech­tert. Dies liegt auch dar­an, dass die Online-Geschäfts­mo­del­le der Pres­se­ver­le­ger von markt­mäch­ti­gen Online-Platt­for­men behin­dert wer­den, die Inhal­te der Pres­se­ver­le­ger nut­zen, ohne dafür eine ange­mes­se­ne Vergütung zu zah­len. Von Sei­ten der Poli­tik fehlt es nicht an Lip­pen­be­kennt­nis­sen zur Bedeu­tung der Pres­se für die demo­kra­ti­sche Mei­nungs­bil­dung. Wenn es aber um kon­kre­te gesetz­ge­be­ri­sche Maß­nah­men geht, blei­ben die­se Bekennt­nis­se lei­der oft ohne Fol­gen. Es drängt sich im Gegen­teil der Ein­druck auf, dass auf Bun­des- und Lan­des­ebe­ne Poli­tik nicht zum Schutz der Pres­se, son­dern im Inter­es­se von Goog­le und Face­book gemacht wird.

Ein gutes Bei­spiel dafür ist der im Janu­ar 2020 ver­öf­fent­lich­te „Dis­kus­si­ons­ent­wurf“ des BMJV zur Schaf­fung eines neu­en Leis­tungs­schutz­rechts für Pres­se­ver­le­ger. Statt das euro­pa­recht­lich vor­ge­ge­be­ne Recht kon­se­quent umzu­set­zen, ent­kernt der Ent­wurf das Pres­se­leis­tungs­schutz­recht bis zur prak­ti­schen Irrele­vanz. Und als wäre den Inter­es­sen von Goog­le und Face­book damit noch nicht genug gedient, erklärt die Entwurfsbegründung, dass Vergütungsansprüche der Ver­le­ger ohne­hin nicht in Betracht kämen, soweit die­se ihre Web­an­ge­bo­te such­ma­schi­nen­op­ti­miert pro­gram­mier­ten. Auch mit rudi­men­tä­ren Kennt­nis­sen der digi­ta­len Medi­en­öko­no­mie ist offen­sicht­lich, dass dies auf sämt­li­che digi­ta­le Pres­se­er­zeug­nis­se zutrifft – denn die Pres­se­ver­le­ger kön­nen für ihre Digi­tal­an­ge­bo­te auf den über Goog­le ver­mit­tel­ten Traf­fic schlicht nicht ver­zich­ten.

Bei so viel Chuz­pe der bun­des­po­li­ti­schen Kol­le­gen woll­ten die Lan­des­po­li­ti­ker wohl nicht zurückstehen. Anders lässt sich die jüngst ver­öf­fent­li­che Begründung zum neu­en Medi­en­staats­ver­trag nicht erklä­ren. Der Ansatz, markt­mäch­ti­ge Online-Inter­me­diä­re wie Goog­le und Face­book wegen ihrer Gate­kee­per-Funk­ti­on für die Infor­ma­ti­ons­ver­brei­tung im Inter­net einer beson­de­ren Regu­lie­rung zu unter­wer­fen, droht durch eine lapi­da­re For­mu­lie­rung in der Entwurfsbegründung in ihr Gegen­teil ver­kehrt zu wer­den.

Nach dem Begründungsentwurf soll die eigent­lich ver­bo­te­ne Ungleich­be­hand­lung ver­schie­de­ner Inhal­te-Anbie­ter näm­lich sach­lich gerecht­fer­tigt sein, soweit der Inter­me­di­är bestimm­te Inhal­te „auf­grund urhe­ber- bzw. leis­tungs­schutz­recht­li­cher Rege­lun­gen nicht vergütungsfrei anzei­gen darf“. Damit wird ein Ver­hal­ten für recht­mä­ßig erklärt, das Goog­le in Deutsch­land und Euro­pa schon gezielt ein­ge­setzt hat, um Gra­tis-Ein­wil­li­gun­gen für die recht­lich geschützten Inhal­te der Pres­se­ver­le­ger zu erzwin­gen. Dies Ver­hal­ten ist Gegen­stand aktu­el­ler kar­tell­recht­li­cher Miss­brauchs­be­schwer­den bei der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on und der fran­zö­si­schen Wett­be­werbs­be­hör­de.

„Wenn die Poli­tik ihre Bekennt­nis­se zur demo­kra­ti­schen Bedeu­tung der Pres­se ernst meint, muss sie end­lich Far­be beken­nen.“

Ähn­lich wie beim „Dis­kus­si­ons­ent­wurf“ des BMJV wird die Ziel­rich­tung der neu­en medi­en­recht­li­chen Regu­lie­rung mit einem Feder­strich in ihr Gegen­teil ver­kehrt: Statt die Posi­ti­on der Inhal­te-Anbie­ter gegenüber Goog­le und Face­book zu stär­ken, wer­den deren Geschäfts­prak­ti­ken zu Las­ten der Inhal­te-Anbie­ter zusätz­lich recht­lich abge­si­chert und die Durch­setz­bar­keit von Urhe­ber- und Leis­tungs­schutz­rech­ten gra­vie­rend geschwächt. Dass eine sol­che Rege­lung euro­pa­recht­li­chen Vor­ga­ben wider­spricht und mit der vor­ran­gi­gen Gesetz­ge­bungs­kom­pe­tenz des Bun­des zum Wett­be­werbs- und Kar­tell­recht unver­ein­bar ist, wird nicht gese­hen oder ein­fach igno­riert. Die­ses ohne­hin unschö­ne Bild der deut­schen Medi­en­po­li­tik bekommt einen düsteren Anstrich durch den Umstand, dass die frag­li­che For­mu­lie­rung unter Federführung Ham­burgs in den Begründungsentwurf gekom­men ist – wo die deut­schen Nie­der­las­sun­gen von Goog­le und Face­book ihren Sitz haben.

Mit einer sol­chen Poli­tik kön­nen die wirt­schaft­li­chen Grund­la­gen für eine freie Pres­se in der digi­ta­len Welt nicht gewähr­leis­tet wer­den. Wenn die Poli­tik ihre Bekennt­nis­se zur demo­kra­ti­schen Bedeu­tung der Pres­se ernst meint, muss sie end­lich Far­be beken­nen. Eine freie Pres­se kann es nur auf wirt­schaft­lich sta­bi­ler Grund­la­ge geben. Und dazu gehört der kon­se­quen­te Schutz der Inhal­te-Anbie­ter vor aus­beu­te­ri­schen Geschäfts­mo­del­len markt­mäch­ti­ger Online-Platt­for­men. Den Kon­flikt mit Goog­le und Face­book darf eine sol­che Poli­tik frei­lich nicht scheu­en.

Der Namens­bei­trag von Dr. Harm-Ran­dolf Döp­kens ist auf medienpolitik.net — Debat­ten aus Medi­en- und Netz­po­li­tik, 04. März 2020 erschie­nen und kann unter dem unten ste­hen­den Link abge­ru­fen wer­den.

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